Neujahrskultur – mit dem Skispringen der Vierschanzentournee am ersten Tag des Jahres: Faul auf dem Sofa zuschauen, wie dünne junge Männer vergeblich versuchen, ein Teil der Luft zu werden. Dieses Jahr wurde das Ereignis zur  Lehrstunde für Frustrationstoleranz und „positivem Denken“ im Sinne von echter Selbstkontrolle.

Der Wind hatte viele Sprünge verblasen, die unfairen Wertungen hatten aber Bestand. Viele machten hinterher ihrem Ärger Luft – nicht so der Favorit Andreas Morgenstern, der auf Platz 14 landete: „Das war extrem gefährlich. Ich bin froh, dass ich heil runtergekommen bin und freue mich auf das nächste Springen.“ Er sagt das ohne Ironie, lächelnd, mit weit offenen, strahlenden Augen, auch körpersprachlich locker.

Ist so ein Überflieger auch ein Übermensch? Nein. Aber ein Beispiel für eine 100-prozentige Entscheidung, nur die Gedanken zu denken, die für ihn als Sportler hilfreich und positiv sind.

Morgensterns „Mentalcoach“ hat ganze Arbeit geleistet. Sein ehrgeiziger Klient starrt nicht verkrampft auf das Einzelergebnis. Er kann loslassen. Was nützt es ihm, sich über den Wind oder die Entscheidung der Wettkampfjury aufzuregen? Das machen schon die anderen. Er lässt den Ärger los, macht seine Gedanken frei und konzentriert sich auf das, was er selbst gestalten kann. Das dritte Springen hat Morgenstern übrigens mit einem „wunderschönen Gefühl“ gewonnen. Danach die ganze Tournee.

In dieser Konsequenz ist so eine Haltungskontrolle selten zu erleben.

Da fällt mit der Film „Invictus“ ein, in dem Morgan Freeman als Nelson Mandela eine Gedichtzeile über die Macht der Gedanken zitiert: „Ich bin der Meister meines Los’. Ich bin der Captain meiner Seele.“  Das Gedicht hat dem Film seinen Titel gegeben. Und weil es so schön ist, sei es gleich komplett zum neuen Jahr zitiert:

„Invictus“ von William Ernest Henley

Out of the night that covers me,
Black as the pit from pole to pole,
I thank whatever gods may be
For my unconquerable soul.

In the fell clutch of circumstance
I have not winced nor cried aloud.
Under the bludgeonings of chance
My head is bloody, but unbowed.

Beyond this place of wrath and tears
Looms but the Horror of the shade,
And yet the menace of the years
Finds and shall find me unafraid.

It matters not how strait the gate,
How charged with punishments the scroll,
I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.

(zitiert nach Wikipedia)