Eine Neue Wirtschaft braucht eine Neue Sprache

 

Eine neue Wirtschaft braucht eine neue Sprache.  Ich meine mit neuer Sprache eine Sprache, die die veränderten Beziehungen in Unternehmen und zwischen Unternehmen und Märkten/Kunden zum Ausdruck bringt. Dadurch lässt sich das Neue ganz anders beschreiben und erleben.

(Dieser Post ist ein Beitrag zur Blogparade zum Thema Change Management des Netzwerks intrinsify!me

„Wir brauchen neue Worte, die alten passen nicht mehr“, sagt jüngst brand eins-Chefredakteurin Gabriele Fischer auf der brand eins Konferenz. Ich stimme ihr voll und ganz zu.

Worte sind wertvoll. Worte prägen unser Denken, sie lassen in unserem Inneren einen bestimmten Kontext, Bilder und Gefühle entstehen. Wort schaffen Verbindung. Sprache ist meiner Ansicht nach das wichtigste Werkzeug des Wandels – und wird dennoch in ihrer Wirkung weithin unterschätzt.

Mitarbeiter, Zielvorgaben, Anreize, Plan, Führungskraft, Bewerber…

Die Linguistik weiß: Sprache prägt Denken – Denken formt wiederum Sprache.
Die Systemtheorie weiß: Unsere Beschreibung der Welt beeinflusst, wie wir die Welt erleben.
Das wiederum beeinflusst die Welt. Ein zirkulärer Prozess.

Lasst Euch mal die alten Worte im Munde zergehen und versucht neue zu finden. Denn so bauen wir die besten Brücken für einen Wandel. Ein paar Beispiele:

  • Haben wir „Mitarbeiter“ oder Kollegen?
  • Wollen wir „Führungskraft sein“ oder Führungsarbeit leisten?
  • Verabschieden wir „Betriebsvereinbarungen“ oder treffen wir Gemeinsame Entscheidungen?
  • Machen wir das „Changeprojekt“ oder verändern und lernen wir permanent?
  • Wenden wir uns an „Konsumenteninnen“ – oder an Unterstützer oder Freundinnen unserer Leistungen und Produkte?
  • Sind wir im „voll im Plan“ oder reagieren wir flexibel?
  • Setzen wir „Anreize“ oder formulieren wir ein Anliegen?
  • Suchen wir „Bewerber“ und „abhängig Beschäftigte“ oder Anbieter von Kompetenzen?
  • Führen wir „jährliche Mitarbeitergespräche“ oder stehen wir in guter, flüssiger Verbindung miteinander?
  • Verfolgen wir „Zielvorgaben“ oder einen Sinn?

Framing für neue Beziehungen und Organisationsformen

In der Politik erleben wir es täglich: Mit den richtigen Worten lassen sich Gefühle wecken und Menschen überzeugen. Worte unterstützen Veränderung. Worte und sprachliche Bilder und Metaphern bringen komplexe Situationen anschlussfähig auf den Punkt. Worte mobilisieren.

Sprache markiert und unterstützt uns bei der Neubewertung unserer Umwelt – und prägt, wie wir darauf emotional darauf reagieren. „Framing“ ist der Fachbegriff dafür. Der US-Soziologe Erving Goffman beschreibt mit dem Begriff „Frames“ grundlegende kognitive Strukturen, die die Wahrnehmung und von Realität lenken.

Im politischen Agenda-Setting ist „Framing“ nicht erst seit dem Erfolg von Donald Trump und den Sprachanalysen der Linguistin Elisabeth Wehling ein Buzz-Wort. Auch Veränderer und Sprecherinnen für eine wie auch immer gestaltete „Neue Wirtschaft“ sollten sich Gedanken über das „Framing“ für neue Beziehungen und Organisationsformen machen. Denn die Sprache des „alten“ Managements ist meiner Ansicht nach eines der wichtigsten Hemmnisse für Entwicklung und Wandel in Organisationen.

Sprache aktiviert und mobilisiert

Es wäre zu leicht, hier das tägliche Bullshit-Bingo aufzuspießen: „Dynamische Marktszenarien“ stellen uns vor „komplexe Herausforderungen“ und fordern „zeitnahe Change-Maßnahmen“…  Dieses Gerede gehört leider immer noch zum Spiel der großen Jungs und Mädels. Doch was ist der Effekt dieser Sprache? Sie ist eine Kontroll-Suggestion. Sie hält Menschen emotional auf Abstand, erzeugt Passivität und intellektuelle Lähmung.

Wieviel menschlicher und mobilisierender wäre es, wenn ein Entscheider so sprechen würde (und es ehrlich dabei meint): „Wir erleben ja alle, dass sich die Welt da draussen immer schneller und tiefgreifend wandelt. Deshalb bekommen wir manche Probleme nicht vorhersehbar in den Griff und können nur immer wieder lernen. Und das geschieht am besten, indem wir Schritt für Schritt ins Handeln kommen. Irrtümer inklusive. Das ist okay.“

Doch auch das ist schwer und will gelernt sein. Das Bewusstsein für eine neue Sprache zur Unterstützung von neuen Arbeits- und Wirtschaftswelten ist auch bei manchen Protagonisten des Wandels nur wenig ausgeprägt. Selbst das Netzwerk intrinsify!me – das sich als „Das Netzwerk für die Neue Wirtschaft“ beschreibt und in dem ich selbst Mitglied bin – beschreibt seine Leistungen in einer Sprache, aus der für mich ein mechanistisches Menschenbild hervorlugt. Da werden Mitgliedsbeiträge erklärt mit „regelmäßigen Rabatten und Zusatzleistungen“ und dem „Aufwand zur Betreuung und der Leistungsansprüche der Mitglieder“. Da ist vom „Netzwerkbetrieb“ die Rede – als ob es bei menschlichen Netzwerken um Stromversorgung geht.

Was sind für Euch neue Alternativen für alte Worte, die nicht mehr passen?

Schreibt mir bitte – vielleicht entsteht so ein „Wörterbuch des Wandels.“

Danke! Karin Volbracht

PS: Sorry, ich „gendere“ nicht. Das ist sicher auch ein Thema der neuen Sprache – doch es widerspricht einfach meinem Stilempfinden und macht Texte schwerer lesbar.