Zum Weltfrauentag an diesem Mittwoch bat mich ein Journalist als „Kommunikationsexpertin“ um ein Statement zum Thema: Können Frauen besser zuhören als Männer? Aus dem Bauch heraus hätte ich schnell antworten können. Doch das wollte ich nicht. Ich habe lieber mal selbst recherchiert, bevor ich ins Interview gegangen bin. Das Ergebnis finde ich interessant – und Ihr vielleicht auch.

Frauen hören anders zu als Männer

Meine Antwort auf die Frage, ob Frauen die besseren Zuhörenden sind, lautet jetzt: Frauen hören anders zu als Manner. Wenn es darum geht, Zwischentöne, Haltungen und Gefühle wahrzunehmen, dann können Frauen im Schnitt besser zuhören. Männer achten eher auf Informationen und Aktionen, wenn sie im Gespräch sind.

Wenn ich mit gutem Zuhören also die Erwartung verbinde, dass mein Gegenüber emotional und empathisch mitschwingt und sich während des Gesprächs auf meine Gefühle und Befindlichkeiten einstellt und diese auch spiegelt, dann sollte ich eher mit einer Frau reden.

Doch wenn es mir darum geht, dass Zahlen, Daten und Fakten ankommen und möglicherweise direkt kritisch bewertet und abgewogen werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich diesen Wahrnehmungsfokus und dieses Verhalten im Gespräch mit einem Mann finde.

Das Aktive Zuhören nach Carl Rogers verbindet beide Pole

Interessant für mich als Coach und professioneller Zuhörerin ist dabei der Transfer zum „Aktiven Zuhören“ nach Carl Rogers. Diese Technik verbindet meines Erachtens beide Pole. Beim Aktiven Zuhören öffne ich mich dem oder der Sprechenden. Dabei sollte ich mir meiner eigenen Impulse bewusst sein und nicht unterbrechen. Dann versuche ich, durch kurzes Wiederholen des Gesagten oder meiner eigenen Wahrnehmungen ein gemeinsames Verständnis sowohl von Fakten als auch von Gefühlen herzustellen.

Zwischenbemerkung: Aus Sorge vor einem identitätspolitischen Shitstorm bekenne ich mich dazu, in diesem Text geschlechtsspezifische „Schubladen“ aufzumachen“. Ich möchte klarstellen, dass es natürlich in allen Gender-Identitäten Menschen gibt, die in jeder Weise hervorragend oder nicht so gut zuhören können. Die von mir ausgewerteten Texte und Studien beziehen sich jeweils auf statistische Häufungen bei Personen, die als biologisch männlich oder als biologisch weiblich gelesen worden sind. Eine findet Ihr am Ende des Textes.

Woran liegt es, dass Frauen anders zuhören?

Frauen und Männer sind unterschiedlich sozialisiert. Ein dominanter, unterbrechender Kommunikationsstil wird eher bei Jungen begünstigt. Das empathisch mitschwingende  Zuhören wird eher bei Mädchen belohnt. Doch Umwelt und Erziehung sind beim Zuhörverhalten nicht die entscheidenden Ursachen.

Der entscheidende Unterschied liegt in unseren Gehirnen.

Gehirnscans haben gezeigt, dass bei Männern und Frauen beim Zuhören unterschiedliche Hirnregionen aktiv werden. Die rechte Gehirnhälfte ist die Heimat von Intuition, Gefühlen und Kreativität. Die linke Hirnhälfte ist für Logik und das Verarbeiten sachlicher Informationen zuständig.

Bei zuhörenden Männern liegt der Schwerpunkt der Hirnaktivität Studien zufolge in der linken Hirnhälfte. Deshalb achten sie also eher auf die Logik der Inhalte und auf Fakten. Da ist es angenehm, wenn Inhalte auch sauber aufeinander folgen. Am besten gut priorisiert.

Bei zuhörenden Frauen sind beide Hirnhälften aktiv. Deshalb können Frauen munter durcheinanderreden, selber sprechen und die anderen gleichzeitig verstehen. In diesem auf manche Männer vielleicht chaotisch wirkenden Austausch werden Infos und Gefühle gleichzeitig aufgenommen und verarbeitet.

Warum ist das so? Evolution…

Die Erklärungen, warum Frauen und Männer unterschiedlich zuhören, gehen letztendlich auf die menschliche Vorgeschichte und die Evolution zurück.

Es wirkt immer etwas banal, die Höhlenmenschen zu bemühen. Doch die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen hat die Unterschiede im Zuhören begünstigt. Um das soziale System (Familie, Gruppe, Stamm) zu erhalten, haben sich die Frauen vor allem um „Care-Arbeit“ gekümmert, während die Männer sich vom Lager oder von der Höhle entfernt haben, um Nahrung zu beschaffen und zu jagen. Für diese Arbeitsteilung haben sich sowohl das Gehör als auch das Gehirn zur Verarbeitung des Gehörten jeweils perfekt angepasst.  

Das Gehör der fürsorglichen Frauen unterscheidet den Schrei eines Babys oder Kindes vom Schrei eines Tieres. Es nimmt Stimmen differenziert wahr und erkennt eher die Gefühle und Bedürfnisse, die in dem menschlichen Geräusch zum Ausdruck kommen. Das diente dem Überleben der Kinder.

Männer hören als Relikt aus der Vorzeit auch heute noch eher besser, aus welcher Richtung und aus welcher Distanz ein Geräusch kommt. Wenn also der Tiger 20 Meter schräg von hinten aus dem Gebüsch springt, konnte der Vorzeitmann das im Durchschnitt präziser lokalisieren als die Vorzeitfrau. Das diente der Jagd und dem Überleben des Mannes als Versorger.

Was bedeutet das für unsere Kommunikation?

Das Ergebnis des unterschiedlichen Hörens und Zuhörens bei Frauen und Männern erlebe ich in Coachings und Kommunikations-Trainings. Da sind es im Durchschnitt mehr Frauen als Männer, die Klarheit und Struktur in ihrer Kommunikation suchen. Meistens haben sie von männlichen Vorgesetzten oder Kollegen die Rückmeldung bekommen: „Ich kann Dir nicht ewig zuhören. Nun komm doch endlich auf den Punkt.“

Nun hängt die Zuhörfähigkeit eines Menschen meiner Erfahrung nach auch von der inneren Bereitschaft zum Zuhören ab. Doch das ist wieder ein ganz anderes Thema.

Tipps, um besser verstanden zu werden

Zum Schluss zum Frauentag noch ein paar kurze Tipps, wie Frauen oder Menschen mit einem eher weiblich assoziierten Kommunikationsstil mit dem Unterschied umgehen können, um besser verstanden zu werden:

  • Sie können Männer klar adressieren und wichtige Themen nicht zwischen Tür und Angel besprechen. („Ich möchte mit Dir über das Thema XY sprechen. Wann passt es Dir?“)
  • Sie können zum Start deutlich machen, was der Anlass und was der Nutzen des Gesprächs sein soll. („Es geht um XY. Das liegt das Problem in der Tatsache, dass …“)
  • Sie können das Wichtigste, also ihre Kernaussage, gleich zu Beginn des Gespräches sagen. („Die Lage ist folgendermaßen…“)
  • Sie können ihre Gefühle klar benennen, um sicher zu gehen, dass auch diese Ebene neben der Faktenebene verstanden werden kann. („Das bereitet mir Kummer, weil…“)
  • Als Zuhörerinnen können sie das Gehörte durch sachliches Wiederholen und Nachfragen auf die Sachebene bringen. („Ich habe jetzt von Dir verstanden, dass…“)

Und meine Tipps für Männer lauten:

  • Sie können Aufmerksamkeit schenken durch Aktives Zuhören als bewusst ausgeführte Tätigkeit.
  • Sie könnn Geduld haben und zu sich selbst sagen: „Es geht gerade nicht ums Überleben, sondern um meine Verbindung zur Person gegenüber.“
  • Sie können Nachfragen stellen, um die Gefühlsebene nicht zu verpassen („Und was macht das mit Dir?“)

Nun bin ich gespannt auf Eure Erfahrungen. Schreibt mit gern an karin@coaching-volbracht.de.

Alles Gute zum Frauentag 😉

Linkliste:

John Gray: Men are from Mars, women are from venus

https://www.ecobookstore.de/shop/article/1320966/john_gray_men_are_from_mars_women_are_from_venus.html

https://www.forbes.com/sites/jackzenger/2015/06/11/age-gender-and-ability-to-listen-who-listens-best/

https://hbr.org/2021/03/are-you-really-listening